Geschwistertreffen im Gebirge
Vor dem Ende des dreißigjährigen Krieges im Jahre 1945 war Johanngeorgenstadt ein verträumtes und abgelegenes Ackerbürgerstädtchen am rauen Erzgebirgskamm. Die Zeiten eines bescheidenen Auskommens durch den Bergbau waren längst vorbei. Die gelegentlichen Besuche von Leuten aus dem fernen Berlin in den noch vorhandenen Bergbauen brachten weder Abwechslung noch wirtschaftlichen Gewinn. Die Wissenschaftler interessierten sich für die reichen Vorkommen an Uranpechblende und fuhren unter Mitnahme von kleinen Erzproben wieder weg.
Ruth und ihre Geschwister zusammen mit ihrer Mutter Lisbeth nach dem frühen Tode des Vaters im Jahre 1930
Die lustige Schwester Ruth hatte 1943 ihren Alfred geheiratet. Dieser arbeitete in Johanngeorgenstadt als Kutscher
im ortsbekannten Külliggut und holte seine junge Frau in das Gebirge.
Eine Reise nach Johanngeorgenstadt war damals ein Erlebnis, obwohl die seit 1883 bestehende Eisenbahnstrecke nur
etwa 15 km lang war.
Man fuhr durch einen Tunnel, in engen Kurven unmittelbar am Schwarzwasser entlang und unter
hohen Bergwänden vorbei. Ruth empfing dann die Gäste mit selbstgebackenem Kuchen und vielen lustigen Erzählungen.
Kurze Zeit später war das Städtchen total umgekrempelt worden. Die Besatzungsmacht hatte
dort nach dem Kriegsende das Zepter übernommen. Die Uranpechblende wurde notwendig für den atomaren Rüstungswettlauf.
Die Stadt war übervölkert mit Glücksrittern. die bei der Wismut-Organisation Arbeit bekamen. Sie war
förmlich zugeschüttet worden mit Abraum aus den hastig aufgerissenen Urangruben. Die alten Häuser der Stadt fielen fast
sämtlich den Schächten und den überbordenden Übertageanlagen zum Opfer. Es fehlte jeglicher Schutz vor der
radioaktiven Strahlung. Die Erwachsenen
Zwei Kinder aus der Familie, Renate und Joachim, vor dem Spielen am Schlammteich in Johanngeorgenstadt
verspeisten ihren Kuchen neben den Grubenbahngleisen mit Abraumzügen. Die Kinder spielten im Uferbereich
des sogenannten Schlammteiches auf stillgelegten Dampflokomotiven der Grubenbahnen.
Ein Geigerzähler hätte sich dort totgerattert.
Wir wussten davon nichts. Die gelegentlichen Ausflüge nach Johanngeorgenstadt blieben deshalb gern
unternommene Abwechslungen. Sie waren offensichtlich zu selten für Schädigungen durch die Strahlung.